BGE – Grundrecht oder Utopie


In den Augen Vieler, ist das Bedingungslose Grundeinkommen eine Utopie. Unsere gesellschaftliche Führung, allen voran die konservative politische Elite definiert für uns den Begriff der Utopie. Utopie ist demnach ein nicht zu verwirklichendes Gedankenmodell, wird stereotyp verkündet und die Betonung auf „nicht zu verwirklichen“, ist zumeist das Basisargument der Begründung.

Die Utopie ist das große Schreckgespenst aller politischer und wirtschaftlicher Eliten und nichts scheinen sie mehr zu fürchten, als dass ihnen der Begriff aus den Händen gleitet oder in einer ihnen nicht genehmen Weise definiert wird, denn dann, so steht für sie zu befürchten, ist alles, das sie zu schützen und zu erhalten versuchen, in Gefahr. Der Gedanke, dass ein Volk die Macht ausübt; zum Souverän des Staates nicht nur auf dem Papier wird und Menschen eine Gesellschaft schaffen, die auf anderen Werten, als den kapitalistischen beruht, ist für sie Utopie.

Alle Diskussionen zum BGE scheinen mit dem Satz zu beginnen: „Wie solle denn das gehen?“ Sie haben Recht, zumindest wenn man die Grundannahmen der Skeptiker, jeder Diskussion als unveränderlich voraus setzt. Wer nichts verändern will, wird auch nichts verändern. Wer Grundsätzliches nicht in Frage stellen will, erstickt jede Diskussion über Notwendiges und Mögliches. So lange die Profiteure eines fehlenden BGE die Grundlagen vorgeben, über was und wie gedacht werden darf und ihr System als unabänderlich und alternativlos darstellen, so lange wird es auch keine Möglichkeit geben das BGE zu etablieren.

Fraglich ist auch die Art, in der die Debatte um das BGE geführt wird. Diese ist in erster Linie eine Neid-Debatte und wirft die Frage auf, in welchem moralischen Zustand dieses Volk ist. Die Politik sieht eine Mehrheit gegen das BGE. Was ist das für eine Mehrheit, die ihren Mitmenschen das Existenzminimum neidet? Was ist das für eine Gesellschaft, die mit Waffengewalt den Menschen am Hindukush ein besseres Leben bringen will und im eigenen Land den Bedürftigen, mit Neid und Missgunst begegnet? Wo sind die Politiker, die sich für die gleichen Chancen Aller, auch in diesem Land einsetzen?

„Wir leben in einer Gesellschaft, die fordert, dass jeder sein Leben durch Arbeit verdienen muss, um den Ort seines Lebens und seine Nahrung zu bezahlen. Diese Abkehr vom bedingungslosen Existenzrecht jedes Lebens und damit auch unseres eigenen, wird nur noch von der Ungeheuerlichkeit übertroffen, dass wir es für legitim halten.“

Sollte aber eines Tages die Möglichkeit bestehen tatsächliche und grundsätzliche Werte neu zu definieren, den Wert eines Menschen nicht mehr in seiner Produktionskraft und seine Stellung nicht mehr in wirtschaftlichem Erfolg; den Wert unserer Umwelt nicht mehr als Produktions-, Energie- oder Nahrungsressourcen zu sehen, sondern begonnen werden kann den Wert der Dinge an sich zu erkennen, wird das zwangsläufig zu der Feststellung führen, dass Utopien nur aufgrund physikalischer oder biologischer Begründungen nicht realisierbar sind und alle anderen Begründungen ihrer nicht Durchführbarkeit nur politische Agitation sind. Der Umstand, dass gerade die, die bei einer Umsetzung einer Utopie am wenigsten profitieren, nicht die Vorstellungskraft besitzen, wie eine solche Utopie umgesetzt werden könnte, ist am wenigsten ein Indiz für ihre Unmöglichkeit.

Die Antwort der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Eliten ist die Verbreitung von Angst – subtil und den Gesetzen der Verhältnismäßigkeit der Mittel folgend. Zuerst werden Arbeitslosigkeit und der Verlust der Kaufkraft prophezeit, für den Fall, dass das nicht genügend einschüchtern konnte, der Verlust der Zukunft durch in Fragestellung der Alterssicherung oder den Verlust erarbeiteter Werte, die vermeintlich nur mit dem alten System erhalten werden können und wenn auch das nicht ausreichende Wirkung erzielte, werden die diffusen Ängste vor Anarchie, Terror und Chaos herbei geredet.
Eine dieser Utopien, die sehr wohl zu verwirklichen wäre, ist die Grundsicherung des Einzelnen als unverzichtbare Mindestforderung an eine Gesellschaft neuer Werte. Diese Forderung in den Bereich der nicht zu verwirklichenden Utopie zu schieben ist sachlich völlig unrichtig. Mehr noch ist es zynisch, die Debatte nach dem BGE auf der Basis wie heute zu führen und wie sie geführt wird ist verlogen.

Von einer unverdienten Grundsicherung, die in der Neid-Debatte nur ein Problem der zu alimentierenden, arbeitsunwilligen Sozialleistungsempfänger zu sein scheint, leben heute schon alle Vermögenden durch ihre Zinserträge. Jeder der Kapital oder Zinserträge bekommt, der an unternehmerischen Renditen profitiert, erhält bereits eine unverdiente Grundsicherung, aber auch alle Rentner, Beamte, die Beschäftigten des öffentlicher Dienstes, der Armee und die Politiker. Leider begrenzt sich die Neid-Debatte auf den zahlenmäßig und kapitalaufwendig kleinsten Anteil, die Empfänger von Transferleistungen nach dem SGB II. All diese Gruppen leben durch Transferleistungen des Staates, ohne eigenen Mehrwert produziert zu haben, also leben von dem Mehrwert – der Arbeitskraft der Gesellschaft.

Wenn in politischen Diskussionen von einem unbezahlbar hohen Anteil von Aufwendungen für den sozialen Bereich im Staatshaushalt die Rede ist, muss immer auch dazu gesagt werden, dass der größte Teil dieser Summe dazu aufgewendet wird uns zu verwalten. Es ist vernünftiger und Kosten sparender jedem von vornherein eine Grundsicherung einzuräumen und alle anderen Vergünstigungen dafür zu streichen. Die Würde jedes Einzelnen wäre gesichert und seiner freien Entfaltung, auch für die Gesellschaft wäre gewährleistet. Eine Grundsicherung ist nur angemessen, wenn sie die Grundbedürfnisse befriedigt. Dazu zählen Wohnraum, Krankenversicherung, Kleidung und ausreichend Lebensmittel. Der Ansporn seinen eigenen Lebensstandard zu erhöhen, ergibt sich über eine bedingungslose Grundsicherung hinaus und steht nicht im Widerspruch zu ihr.

Hier muss in aller Deutlichkeit gesagt werden. Das Bedingungslose Grundeinkommen ist keine Frage der wirtschaftlichen Machbarkeit. Eine Frage wäre allenfalls, was über ein Bedingungsloses Grundeinkommen hinaus, für einen Staat ansonsten noch machbar wäre. Jeder Staat muss zuerst und vor allem anderen, die Sicherung der Grundbedürfnisse seiner Bürger gewährleisten. Jegliche Diskussion über vermeintlich fehlende Gelder, setzt in ihrem Grunde voraus, dass andere Ausgaben vorab oder als gleichwertig zu berücksichtigen sein. Diese Annahme verfälscht die staatlichen Grundpflichten, die sich schon aus der UN – Menschenrechtskonvention ergeben und auch in Deutschland in ihrem vollen Umfang, nur durch das BGE möglich würden. Zu der Sicherstellung der Grundbedürfnisse nach Nahrung, Wohnraum, Kleidung, Gesundheit und Bildung, können aber keine Ausgaben in Konkurrenz stehen, da es keine Ausgaben gleich hoher Wertigkeit gibt. Bevor der Staat auch nur einen Euro in den Bau von Strassen, in die Subventionierung von Unternehmen, in die Aufrechterhaltung oder den Ausbau des Militärs und ganz abgesehen davon, in die Sanierung eines maroden Wirtschaftssystems steckt, müssen vorab alle Kosten der Grundsicherung der Bevölkerung gedeckt sein. Die Möglichkeit politischen Handelns und staatlicher Interessen, ergibt sich überhaupt erst nur, nach einer Grundsicherung der Bürger. Die Grundsicherung ist heute leider noch eine Forderung, aber sie ist keine Diskussionsgrundlage.

Durch das Grundeinkommen entsteht wieder mehr Eigenverantwortung für das eigene Leben, da jeder frei und ohne Zwang seinen Platz in der Gesellschaft entsprechend seinen individuellen Eigenheiten suchen und finden kann. Die Idee der Grundsicherung ist kein neues Thema, aber unsere Gesellschaft ist an einen Punkt angekommen, wo Maschinen und Computer die Arbeit von Menschen komplett ersetzen können, weil sie schneller, billiger und unkomplizierter sind. Sie werden zukünftig einen wesentlichen Teil unseres Mehrwerts erzeugen. Auch aus Sicht der Politik könnte sich das BGE, als rettend erweisen. Sollten sie und das werden sie versuchen, dieses Wirtschaftssystem künstlich aufrecht erhalten, wird sich die soziale Schere weiter spreizen, was über kurz oder lang zu sozialen Unruhen führen wird. Aus Sicht der Politik könnte sich dann das BGE, als das kleinere Übel darstellen.

Die Hoffnung der Politiker auf mehr Arbeitsplätze ist schon heute illusorisch, denn durch die Globalisierung verschärft sich der Wettbewerb. Das belegt auch die rasant steigende Anzahl der Menschen, die in diesem Land nicht von ihrer Arbeit leben können. Transfergesellschaften, Leiharbeit und die immer weiter voran schreitende Absenkung des Reallohn – Niveaus vermögen nur temporär einen vermeintlich anderen Eindruck zu vermitteln. Die daraus sich ergebende Altersarmut wird ein Folgeproblem daraus werden. Fakt ist, die angebotenen Produkte und Dienstleistungen sind mittlerweile international und haben Eigenschaften und Kostenstrukturen, die immer vergleichbarer werden. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss die Wirtschaft Rationalisierung und Automatisierung beschleunigen oder kostengünstigere Produktionsstandorte suchen, was dazu führt, dass immer mehr Menschen aus dem Arbeitsprozess heraus gelöst werden. Durch die materielle Unabhängigkeit des Menschen, verursacht durch das Grundeinkommen, entsteht ein enormes Innovationspotenzial und die Möglichkeit der freien Bildung, dass die Quelle des ökonomischen, ökologischen und sozialen Fortschritts der Gesellschaft sein wird.

Das Bedingungslose Grundeinkommen ist ein Grundrecht, da es die Durchsetzung elementarer Menschen- und Grundrechte überhaupt erst ermöglicht. In Zukunft werden diese Rechte ansonsten, ohne ein Bedingungsloses Grundeinkommen, mehr als schon heute, an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gekoppelt sein. An den Augen und den Zähnen vieler kann man schon heute ablesen, dass Gesundheit ist keine Selbstverständlichkeit mehr ist und nicht jeder sich diese leisten kann.

Wollen wir wirklich zur Diskussion stellen, wem wie viel und unter welchen Bedingungen an Gesundheit, Nahrung, Wohnung und Bildung zusteht? Sollen darüber wirklich wirtschaftliche Belange bestimmend sein?  – Armes Deutschland

Ich empfehle mich in diesem Sinne

Heinz Sauren

Published by: Heinz Sauren

Einzig ein aus freiem Willen geschaffenes und auf eigener Erkenntnis beruhendes Regelwerk individueller Werte, welches vorab jedem Gesetz und jeglicher Moral seine Anwendung und bindende Gültigkeit findet, ist der Garant persönlicher Freiheit und eines Lebens in Einklang mit sich selbst. Ich nenne diese Prämisse, den anthropologischen Imperativ.

Katgeorien Essays10 Kommentare

10 Gedanken zu “BGE – Grundrecht oder Utopie”

  1. Schöner Text!
    Was aber sehr wichtig ist und in diesem Text nicht vorkommt:
    Wie hoch sollte ein BGE sein? (Müsste weit höher als der Hartz IV Satz sein, oder nicht?)
    Sollen alle BGE bekommen? Auch Unbedürftige, wie bspw. Vermögende?

    Ein BGE kann nämlich auch zu einer ‚Sozial-Flatrate‘ missbraucht werden. Deshalb ist es auch im rechten Lager einigermaßen beliebt.

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  2. Der Artikel ist zwar schon älter, dennoch immer noch sehr informativ und er regt zum Nachdenken an. Das Thema BGE spielt ja schon seit langer Zeit eine große Rolle. Hier bin ich sehr gespannt, inwieweit sich dies in der nächsten Zeit entwickeln wird oder ob es grundlegend vom Tisch genommen wird.

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  3. Habe gar nicht bemerkt, dass der Artikel schon älter ist. Ist mir erst durch die Kommentare klar geworden.

    Finde ihn hochinteressant und bemerkenswert unaufgeregt geschrieben, auch wenn einige Spitzen in Richtung Andersdenkende wohl nicht zu vermeiden sind. Bin grundsätzlich am BGE interessiert und wie es ggf umgesetzt werden kann. Daher muss ich einem hier geäußerten Grundgedanken widersprechen.

    Man denke sich folgende Szene: Ein steinzeitlicher Stamm ist um das Lagerfeuer versammelt. Einer steht auf und hält eine flammende Rede darüber, dass alle Stammesmitglieder gleichermaßen versorgt werden müssen. Am Ende sagt er noch: „Wie viel Fleisch jeder in seiner Schüssel am Abend hat, kann doch nicht davon abhängen, wie erfolgreich die Jäger waren.“

    Absurd, nicht? Denn natürlich hängen die Sachen zusammen. Nun sind die Verhältnisse in unserer Gesellschaft ungleich komplizierter und die Zusammenhänge nicht so offensichtlich. Geld ist ein Tauschwert für Waren und Dienstleistungen und daher nicht unabhängig von der Wirtschaft.

    Die Diskussion über BGE kann nicht vorankommen, solange der Zusammenhang zwischen Geld und Wirtschaft außen vor bleibt. Wer BGE wirklich voran bringen will, kommt nicht darum herum, sich ausführlich mit dem Konzeption „Geld“ zu beschäftigen.

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